(H. Heine)
Lesung in der Stadtbibliothek der Hansestadt Lübeck zur Erinnerung an die Bücherverbrennung auf dem Buniamshof am 26. Mai 1933 in Lübeck
Für die Erich-Mühsam-Gesellschaft e.V. sprach der stv. Vorsitzende Lienhard Böhning:
Erich Mühsam
Geboren 1878 in Berlin, aber seit frühester Kindheit in Lübeck aufgewachsen. Als Schüler des Katharineums hier nebenan veröffentlichte er- wie es sein Mitschüler Gustav Radbruch beschreibt, „in dem sozialdemokratischen Lübecker Volksboten eine Festrede unseres Direktors Schubring mit beißenden Glossen“ – und wurde prompt „wegen sozialistischer Umtriebe“ der Schule verwiesen. Er wuchs in einer Zeit auf, als bereits im deutschen Kaiserreich der Grundstein für zwei Weltkriege und das Grauen der Naziherrschaft gelegt wurde. Es ist nicht möglich, Leben, Werk und politische Tat Erich Mühsams zu trennen. Er war Bohemien, Anarchist, Dichter, politischer Publizist, Revolutionär in der Münchener Räterepublik, selbst in größter Not unbeirrbarer Menschenfreund und schließlich eines der ersten prominenten Opfer der Nazis. Er ahnte früh, was sich durch die Nazis verändern würde und er kämpfte in der Weimarer Republik gegen sie. Schnell stand er auf der Abschussliste der Faschisten: Bereits Ende der 20er Jahre spricht Joseph Goebbels das Todesurteil über ihn: “Dieses rote Judenaas muss krepieren“.
Heute müssen wir höchst hellhörig werden, wenn der Lübecker Unternehmer und Flaghafenbesitzer Winfrid Stöcker die AfD mit 1.5 Mio. Euro im Wahlkampf unterstützt und auf einer Kundgebung der Querdenker in Berlin öffentlich fordert, der neue Bundeskanzler Friedrich Merz müsse „weggefegt“ werden.
Die Faschisten stellten nach dem Wahlerfolg von 1930 eine reale Gefahr für den Bestand der Weimarer Republik dar. Eine Gefahr, die frappierende Parallelen zu heute aufweist. Im September 1930 erklärte Hitler, er wolle „legal“ an die Macht kommen, und konnte so in enge Zusammenarbeit mit Regierungskreisen und Reichswehrführung treten. Industrielle und rechtsgerichtete Politiker forderten immer häufiger die Einbeziehung der Faschisten in die Regierung. Es folgte Hitlers offene Vorbereitung auf die Machtübernahme.
Dieses Gedicht schrieb Erich Mühsam im März 1931:
Das braune Haus
Stempeln gehen ist kein Vergnügen. Arbeitsfrau und Arbeitsmann –
täglich stehn in langen Zügen sie beim Arbeitsnachweis an.
Ohne Ansehn der Partein heißt es: Danke bestens, nein!
Hungrig in der Mietskaserne Quetscht man sich im engen Raum..
Nur der Nazi trägt dies gerne, denn nach München schwebt sein Traum.
wohnt er selbst im stinkigen Loch – im Palais wohnt Hitler doch.
Zwischen Marmor, Glas und Bronze, Persern, Lüstern und Damast
grambeladen seufzt der Bonze unter Deutschlands Schuldenlast.
Hakenkreuze schmücken rauh Mobiliar wie Außenbau.
An den Wänden Heldenschwarten, Schwerter im Beratungssaal,
Fahnen, Harnische, Standarten und ein Waffenschrank (legal!).
Htlers Braunhaus schreit vor Pracht, bis das deutsche Volk erwacht.
Braunbehemdete Prolete der SA versehn den Schutz
und behüten die Tapeten vor Gefahr und Judenschmutz,
welche, haklenkreuzdurchwebt, Hitlers eignem Geist entschwebt.
Adolf Hitler, von Berufe Selber einst Dekorateur,
klimmt von Stufe so zu Stufe seiner Laufbahn immer höh’r.
Denn das braune Haus zeigt klar: Dieser bleibt das, was er war.
Bereits 1933 wurde Erich Mühsam nach dem Reichstagsbrand Ende Februar verhaftet. Es folgten 17 Monate schwere Misshandlungen in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern und schließlich wurde er in der Nacht zum 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von bayrischen SS-Schergen grausamst ermordet.