Lebensdaten
Literatur
Gedichte & Texte
Schriftsteller, geboren am 6. 4. 1878 in Berlin, ermordet am 10. 7. 1934 im Konzentrationslager Oranienburg. Konfession: jüdisch, 1926 aus dem Judentum ausgetreten.
Vater: Siegfried Seligmann Mühsam, geboren 2. 9. 1838 in Landsberg/Oberschlesien, gestorben 20. 7. 1915 in Lübeck, Apotheker, Mitglied der Lübecker Bürgerschaft.
Großeltern väterlicherseits: Moritz Mühsam und Charlotte geb. Schweitzer.
Mutter: Rosalie, geb. Cohn, geboren 10. 4. 1849 in Berlin, gestorben 24. 3. 1899 in Lübeck.
Ehefrau: Kreszentia, geb. Elfinger, geb. 28. 7. 1884 in Haslach/Niederbayern als fünftes Kind der Gastwirte Augustin und Creszentia Elfinger, gestorben am 10. März 1962 in Berlin/DDR.
Stiefsohn: Siegfried Elfinger, geb. 16. 10. 1902 in München, gestorben 1. 6. 1969 in Washington D.C.
Genealogie der Familie Mühsam in: Siegfried Mühsam, Geschichte des Namens Mühsam, Lübeck 1912.
1904/08 „Wanderjahre“, Aufenthalte in Zürich, Ascona (Monte Verità),
Norditalien, München, Wien, Paris; ab 1909 ansässig in München. Gründung der „Gruppe Tat“ zwecks Agitation des Subproletariats für den Anarchismus; 1910 verhaftet und wegen Geheimbündelei angeklagt (Freispruch). Zentralfigur der Schwabinger Boheme, befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger und vielen anderen. Ab 15. 9. 1915 verheiratet. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs Versuche, einen internationalen Bund der Kriegsgegner zu gründen. Ab 1916 Sympathien für die Spartakusgruppe. 1916/18 Mitorganisator von Protesten und Streiks gegen den Krieg. Nach dem Sieg der Bolschewiki in Rußland linke Opposition zur Münchner USPD um Kurt Eisner. Ab März 1918 Internierung in Traunstein. Am 7. 11. 1918 führend an der revolutionären Massenerhebung in München beteiligt; radikaler Verfechter des Rätesystems; prägte als populäre Leitfigur den Verlauf der Revolutionsereignisse bis zur Bayerischen Räterepublik mit (Reden, Aufrufe, Programme). Am 13. 4. 1919 verhaftet; verurteilt zu 15 Jahren Festungshaft (Ebrach, Ansbach, Niederschönenfeld). Im September 1919 Eintritt in die KPD; Austritt im November 1919; Entwurf eines proletarisch-revolutionären Einigungsprogramms „links von den Parteien“.
Er ist als 3. von 4 Kindern in Lübeck aufgewachsen; wegen „sozialistischer Umtriebe“ wurde er 1896 vom Gymnasium gewiesen; Abschluß mit Untersekunda 1896 in Parchim/Mecklenburg.
Bis 1899 Apothekerlehre, 1900 Apothekengehilfe in Lübeck, Blomberg/Lippe und Berlin; ab 1901 freier Schriftsteller in Berlin; fand Anschluß an Bohemezirkel; Lebensfreundschaft mit Gustav Landauer; entwickelte sich rasch zum markantesten und literarisch fruchtbarsten Vertreter des deutschen Anarchismus. Seine Anschauungen verschmolzen Postulate anarchistischer Theoretiker (Proudhon, Bakunin, Kropotkin, Landauer) mit Elementen des bürgerlichen Individualismus (Stirner, Nietzsche) zu einem theoretisch kaum reflektierten „Gefühlsanarchismus“, der vor allem vom Autoritätshaß und durch tief empfundene Verbundenheit mit den sozial Benachteiligten belebt wurde.
Mühsam versuchte der Bohemekultur einen politischen Inhalt zu geben und sie mit seiner anarchistischen Mission zu vereinigen (Vorwegnahme der Anarchie durch betont antibürgerliche, vitalistische Lebensführung). Seine heftige Kritik am Reformismus und Legalismus in der SPD führte ihn zur pauschalen Ablehnung des Marxismus und schürte romantisierende Hoffnungen auf eine Revolte des Subproletariats.
Nach Amnestierung am 21. 12. 1924 in Berlin ansässig. Mitglied der Roten Hilfe Deutschlands; intensiver Einsatz als Redner, Publizist und Unterhändler. 1925 Ausschluß aus der Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands wegen seiner Nähe zur KPD. Als Wortführer der „Anarchistischen Vereinigung“ Mitarbeit in vielen linken und antifaschistischen Organisationen, 1927/28 im künstlerischen Beirat der Piscator-Bühne Berlin. Wachsende Verbitterung über Spaltung und politische Ohnmacht der Linksparteien gegenüber dem Erstarken des Nationalsozialismus. 1931 Ausschluß aus dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller. Als einer der eindringlichsten und frühesten Warner vor dem Nationalsozialismus wurde Mühsam am 28. 2. 1933 verhaftet (Gefängnis Lehrter Straße, KZ Sonnenburg, Gefängnis Plötzensee, Zuchthaus Brandenburg, ab Januar 1934 Konzentrationslager Oranienburg), 14 Monate lang Folter und Mißhandlungen ausgesetzt.
In der Nacht zum 10.7.34 wurde Erich Mühsam von der SS ermordet. Seine Unbeugsamkeit wurde zum Symbol des antifaschistischen Widerstands. Beigesetzt am 15. 7. 34 auf dem Waldfriedhof Berlin-Dahlem.